Im überreifen Schafskäse aus Sardinien tanzen die Maden
Der Herstellungsprozess des casu marzu ist von jenem des pecorino sardo (links im Bild) abgeleitet, jedoch legen Käsefliegen der Art Piophila casei bei der Herstellung ihre Eier darin ab.
Stellen Sie sich einmal etwas richtig Ekelhaftes vor:
Maden kriechen durch einen gammeligen Käse, die Konsistenz ist klebrig, und es riecht scharf nach altem Pecorino. Da ist dann der Casu Marzu nicht weit – das dunkelgelbe Schafsmilch-Produkt mit lebendigem Inhalt gilt auf Sardinien als wahre Delikatesse. Die italienische Bezeichnung ist formaggio marcio.
Allerdings ist die „Käsespezialität“ offiziell verboten und wird deshalb nur von privaten Schäfern auf Sardinien und sozusagen „im Hinterzimmer“ produziert. Casu Marzu gibt es nur unter der Hand zu erwerben, weil es laut dem italienischen Gesundheitsamt nicht erlaubt ist, diesen offiziell zu verkaufen.
Tatsächlich können wohl nur eingefleischte Sarden Gefallen an der Sache finden. Die sardische Bezeichnung Casu Marzu bedeutet übrigens übersetzt soviel wie „verrotteter Käse“. Und das stimmt, denn der Schafskäse bleibt wirklich so lange liegen, bis er überreif ist und von Insekten befallen wird. Aber wer hatte die Idee zu dem sardischen Gaumenkitzel?
Wahrscheinlich gibt es Casu marzu bereits seit der Römerzeit
auch wenn es dafür keine Zeugnisse gibt. Und damals ist er wohl auch eher zufällig entstanden, als ein Schafskäse von Fliegen und Maden befallen wurde und die Menschen ihn gegessen haben, ohne die Tiere zu bemerken. Der Käse schmeckte ihnen ganz einfach – und so wurde die Machart von Generation zu Generation weitergegeben.
Dieses „Rezept“ sieht folgendermaßen aus: ein Pecorinolaib wird in sehr feuchter Umgebung aufbewahrt, nachdem ein Loch in die Kruste bis zum Inneren des Käses gebohrt wurde, in welches man Olivenöl gibt. Olivenöl zieht bestimmte Fliegen an. Sie legen Eier in den Käselaib aus denen Maden schlüpfen. Die fressen sich durch den Käse und wandeln ihn durch ihre Verdauung um, so dass er eine cremige Konsistenz und ein scharfes Aroma bekommt und eine Flüssigkeit absondert, die lagrima (Träne) genannt wird.
Beim Verzehr befinden sich lebende Maden im Käse. Diese werden aber nicht von jedem mitgegessen. Ein bisschen schmeckt er zunächst nach süßlichem Gorgonzola, bevor er beim Herunterschlucken seine pikante Würze entfaltet.
Pane carasau und roter Cannonau sind die kulinarischen Pendants
Casu marzu isst man in Sardinien mit dem typisch sardischen Brot Pane carasau. Die Sarden trinken dazu bevorzugt den heimischen Cannonau, einen robusten Rotwein.
Und für alle Wagemutigen, die sich in Sardinien einmal selbst an den Casu Marzu wagen wollen, gilt: Der Käse muss immer frisch verzehrt werden – sonst werden aus den Maden wieder Fliegen…