Mirto – ein sardischer Digestiv
Seit Generationen versteht man sich auf Sardinien auf die hohe Kust der Grappa- und Likörherstellung. Es gibt praktisch keine sardische Hausfrau, die den intensiv-schmeckenden Likör nicht selbst herstellt.
Im Winter, wenn die Sträucher der Myrthenpflanze ihre reifen Beeren ausschütten, schwärmen sie aus in die Felder, um die winzigen Früchtebeeren zu sammeln und rechtzeitig in Alkohol einzulegen, damit der Bedarf für ein ganzes Jahr gedeckt werden kann ohne den teuren Likör zukaufen zu müssen.
Es gibt zwei Varianten des Mirto
Der Mirto rosso (roter Mirto) ist ein süßer Likör, er wird aus den Beeren der Myrte hergestellt. Der Mirto bianco (weißer Mirto) ist ein trockener Likör, er wird aus den Blättern und Blüten der Myrte hergestellt, sowie in Sardinien auch aus den ebenfalls existenten weißen Beeren.
In Sardinien verwendet man zur Herstellung ganz klassisch den 97%-ige Alkohol. Hierzulande ist der leider verboten und so gestaltet sich das Nachmachen schwierig und man kann lediglich auf hochprozentigen Korn oder Schnaps ausweichen – was noch lange nicht dasselbe ist.
Im Gegenteil: zwischen einem echten, hausgemachten Mirto aus Sardinien und einem Versuch der Nachahmung hierzulande liegen Welten. Wobei es ohnenhin nicht so einfach ist, an die wohlschmeckenden Beeren zu kommen.
Mirto selbst hergestellt
Wir haben sie einmal von einer Reise aus Sardinien mitgebracht, hatten jedoch- ganz blauäugig – nicht damit gerechnet, dass das Gesetz in Deutschland den Verkauf von Alkohol in der notwendigen
Konzentration gar nicht gestattet.
So galt es, sich mit dem höchstprozentigen Grappa, der zu finden war, zu behelfen und die „Einlegzeit“ der Mirtobeeren zu verdoppeln.
Dazu wird Zucker gefügt. Der sich im Laufe der Zeit mit dem Alkohol und den Beeren chemisch verbindet.
Unser Resultat war nicht das, was wir uns versprochen hatten – wen wundert es, wo doch die „Geheimrezepte“ der sardischen Hausfrauen und auch die der Distillerien die erforderlichen Zutaten nicht vermissen lassen.
Hingegen der, den Mamma Maria unserer Familie auf Sardinien selber macht, ist eine etwas stärkere Variante des handelsüblichen Digestives, der hierzulande gekauft werden kann.
Pralinen aus Mirto
Worin wir aber zwischenzeitlich zu Experten geworden sind, sind die weichen Toffees aus Mirtolikör: die Gueffi – Gueffus im Singular (sprich: gweffus), die mit Zucker ummantelten sardischen Pralinen.
Liebevoll verpackt in kleine, bunte Umhüllungen gehören sie in Sardinien bei jeder größeren Festivität auf den Dessertisch.
jetzt besteht auch nicht die Gefahr, dass wir uns mit dem Mirto vertun: den bringen wir jetzt immer von der Mamma aus Sardinien mit…
Das Rezept für Gueffus al Mirto gibt es in unserem Kochbuch „Sardegna- la mia terra … köstliches Sardinien“.
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Hallo!
Ich erzähl jetzt mal, wie ich zum Mirto gekommen bin:
Vor einigen Jahren waren wir zum Wein-Kaufen im Landesinneren von Sardinien. An einer ehemaligen Tankstelle, die jetzt eine Bar ist, tranken wir so gegen halb 11 vormittag unseren Espresso. Unser Sohn bekam ein Eis.
Auf einmal ging der Vorhang bei der Tür auf, ein älterer Herr (ca. 70-75) kam herein, ging wortlos zum Tresen. Dort bekam er wortlos ein Glas, der Barista nahm eine Flasche, schenkte wortlos einen großen braunen Schnaps ein. Der ältere Herr trank, zahlte nicht und ging wortlos wieder. Wir hörten ihn dann davonfahren.
Mit meinen wenigen Italienisch-Kenntnissen fragte ich und der Barista teilte mir mit, das sei der ehemalige Eigentümer, er habe eine Monatsrechnung 🙂 Und warum er nichts spräche? Ja, der ist halt so. Fährt aber noch sicher Auto mit seinen 84 Jahren!! Und trinken tut er nur MIRTO ! 🙂
Also: Mirto hält frisch, jugendlich geradezu und gibt ne schöne Haut 🙂
Viele Grüße,
Wolfgang
Eine tolle Geschichte, Wolfgang. So kennen wir Sardinien, vielen Dank!